Gefahren

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Ernährungssicherheit in einer globalisierten Wirtschaft

«Unsere moderne Welt ist sehr verletzlich»

Eine alte Volksweisheit sagt, dass der Soldat und der Bauer nur in der Not etwas gelten. Bundespräsident Ueli Maurer

Wenn man in Frieden und Wohlstand lebt, werden die Grundbedürfnisse zur Selbstverständlichkeit. Man fühlt sich sicher, weil das Land nicht sichtbar bedroht ist. Und man sieht den Nutzen der heimischen Landwirtschaft nicht, weil man nie Hunger hat und die Regale im Laden ja immer voll sind. Das ist verständlich.

Aber dieses sorglose Augenblicksdenken ist verhängnisvoll. Ich glaube nicht an den ewigen Frieden. Und ich zweifle, dass die Welt ein Supermarkt ist mit einem permanent üppigen Angebot, aus dem wir uns einfach und selbstverständlich bedienen können. Die Weltbevölkerung nimmt zu. Und das sehr schnell.

Ressourcen werden knapper

Das massive und schnelle Wachstum heisst: Die Nachfrage steigt, die Ressourcen werden knapper. Die Ressourcenknappheit wird uns in Zukunft beschäftigen. Und wenn wir von Ressourcenknappheit reden, beschränkt sich diese nicht mehr nur auf Erdöl, sondern betrifft auch Lebensmittel. Man sagt, die Welt werde kleiner, sie werde ein Dorf. Diesen Eindruck kann man tatsächlich erhalten, so wie Waren ausgetauscht werden, so wie die Menschen reisen und wie wir das Weltgeschehen mitverfolgen, als passierte es in der eigenen Stube. Aber dieser Eindruck täuscht. Die Distanzen schrumpfen ja nicht, nur die Verbindungen werden besser. Und mit diesen Verbindungen steht und fällt dann alles. Der internationale Warenaustausch wird immer komplexer und damit auch anfälliger für Störungen.

Verletzliche Transportwege

Ohne reibungslos funktionierendes Kommunikations- und Transportsystem bricht die globalisierte Weltwirtschaft zusammen. Das macht unsere moderne Welt so verletzlich. Denn wir haben keine Garantie, dass die Transportwege immer offen sind und die Kommunikation immer funktioniert. Nicht nur Land- und Wasserrouten, auch die virtuellen Verbindungen können unterbrochen werden. Immer mehr basiert die Transport-Logistik auf Informatiksystemen und dem Internet. Auch da ist die Verletzlichkeit hoch. Man spricht heute vom Cyber-War, dem Krieg im Internet. Wir stehen da am Anfang einer neuen Entwicklung. Allgemein weiss man darüber noch nicht viel, ausser dass er täglich stattfindet. Und dass wir davon ausgehen müssen, dass Cyber-Attacken unsere modernen Kommunikationsmittel zumindest zeitweise lahmlegen können.

Die Illusion vom «globalen Dorf»

Wenn wir es kurz und bildlich zusammenfassen: Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen unseren Dörfern und dem «globalen Dorf». Im Dorf gehen wir schnell über die Strasse zum Nachbarn, wenn uns ein Kilo Mehl fehlt. Wir Schweizer können aber nicht einfach um die Ecke anklopfen, wenn unserem Land das Brotgetreide ausgegangen ist. Bis vor kurzem glaubten viele, die Welt und insbesondere Europa würden zu einer Staatengemeinschaft zusammenwachsen. Die wirtschaftliche Verflechtung ergebe eine globale Arbeitsteilung: Jeder macht das, was er am besten kann – und das weltweit. Seit der Finanzkrise und den Schulden-Krisen in EU-Staaten ist diese Entwicklung in Frage gestellt. Gleichzeitig ist unter dem Druck der Krise die Auseinandersetzung auch zwischen an sich befreundeten Staaten härter geworden – in der Not ist halt doch jeder sich selbst am nächsten. Die harte Interessenpolitik hat auch die Schweiz zu spüren bekommen, weil sie freiheitlicher und damit erfolgreicher ist als andere. Wir haben erlebt, dass die Grossmächte vermehrt auf Macht statt auf Recht setzen. Vor diesem Hintergrund müssen wir uns bewusst sein, dass uns jede Abhängigkeit erpressbar macht.

Erpressbarkeit vermeiden

Wir wollen nicht von andern abhängig und damit erpressbar sein. Wir beziehen Waren aus Ländern, die politisch alles andere als stabil sind. Damit wird deren Instabilität auch zu unserem Problem. Das spricht nicht gegen den Handel mit solchen Staaten. Allerdings spricht es dagegen, sich in deren Abhängigkeit zu begeben, falls es vermeidbar ist. Aber nicht nur die Abhängigkeit von einem einzelnen Anbieter ist heikel, auch totale Abhängigkeit vom Weltmarkt kann bei lebenswichtigen Gütern wie Nahrungsmitteln problematisch sein. In Krisensituationen wollen wir uns nicht auf das Ausland verlassen, sondern im Notfall alleine bestehen können. Ein Land, das eine seriöse Sicherheitspolitik betreibt, muss sich um die Versorgungssicherheit kümmern. Die Landwirtschaft erfüllt eine Aufgabe im Landesinteresse; sie leistet einen Beitrag zur Wahrung unserer Souveränität und sichert uns Handlungsspielraum. Wie bei der Armee geht es letztlich um Krisenprävention und Sicherheit. Das ist nie gratis zu haben. Das kostet. Und im Krisenfall ist es noch schlimmer, da ist es bei der Landwirtschaft wie bei der Armee: Man kann sie nicht einfach in wenigen Jahren wieder aufbauen. In der Krise kann man nicht mehr wettmachen, was man vorher versäumt hat.

 

Gekürzte Fassung der Rede von Bundespräsident Ueli Maurer anlässlich der Jubiläums-DV «20 Jahre Fenaco» vom 18. Juni 2013 in Luzern. Untertitel durch die Alarm!-Redaktion.

Vollständiger Text: http://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=49335 (Quelle: VBS)

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